Der Stadt Stuttgart bietet sich durch die freiwerdenden Bahnflächen eine Jahrhundertchance, eine ganze Stadt im Herzen Europas neu auszurichten. Vor uns liegt eine wegweisende Aufgabe, die wir gemeinsam mit Mut, Entschlossenheit und Begeisterung angehen sollten. Unsere Arbeit formuliert hierzu Thesen:
Volkspark – Naherholung für alle.
Die Entwicklung der Stadt ist ebenso wie die Investition in Stuttgart21 von überregionaler Bedeutung. Der Volkspark kommt allen Stuttgartern zugute. Ein Naherholungsgebiet im Herzen Stuttgarts, das die historischen Strukturen der Gleisanlagen respektiert und kulturelle Nutzungen integriert.
Upcycling – Stadt weiterentwickeln.
Nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet auch, die vorhandenen Strukturen sorgsam zu wägen und weiterzuentwickeln. Stadt braucht gewachsene Dichte und die Chance, sich zu entfalten. Die einzelnen Quartiere tragen daher die Handschrift der vorgefundenen Umgebung und Bahnfragmente. Sie ankern sich in der Stadtgeschichte und entwickeln sich von dort individuell und entsprechend ihrem genetischen Code.
Gleisbogen – An den Rändern entsteht das Leben.
Gleichzeitig benötigt Stadt markante Orientierungspunkte, an denen sich städtisches Leben kristallisieren kann. Planung kann diese Entwicklung kaum vorwegnehmen, aber oftmals entsteht gemeinschaftliches Leben an Grenzen und Übergängen. Der Gleisbogen formuliert durch seine Topographie den Übergang von Stadt zu Grünraum. Die leergefallenen Überwerfungsbauwerke, die sanft ansteigende Promenade über den Wipfeln der Bäume, die Sportfelder am Rande des Volksparks oder die Kulturinseln bieten eine Vielzahl möglicher Kristallisationspunkte. Der Gleisbogen definiert sich als permeable Grenze, an der öffentliches Leben stattfinden kann. Ihre Gestalt selbst bleibt wandelbar und wird sich den Bedürfnissen zukünftiger Generationen anpassen. Der Gleisbogen ist das sichtbare Zeichen einer neuen nachhaltigen Stadtgesellschaft im Herzen Europas.
Plusenergie – langfristig klimaneutral.
Plusenergie bietet eine große gestalterische Chance. Fassadenbegrünung und Solarpaneele prägen das Bild der Gebäude. Die Gebäude sind mit der Erde verwurzelt, sie speichern überschüssige Energie im Erdreich. Kühlung im Sommer, Wärme im Winter. Durchgrünt und glitzernd ragt das Band der klimaneutralen Stadt über den Baumkronen des Volksparks auf.
Stadtklima – über das Quartier hinaus.
Neben dem Bemühen, einen extremen Klimawandel generell zu verhindern, gilt es für auf lange Lebensdauern angelegte Gebäude auch, die Folgen des möglichen Klimawandels zu minimieren. Dichte Bebauungen und fehlende Vegetation können in Städten zum unerwünschten „Hitzeinsel-Effekt“ führen. Zur Vermeidung dieser „hot spots“ sind daher nach dem Vorbild der Natur ausgedehnte Grünflächen in der Planung berücksichtigt. Einerseits sorgt der Volkspark für Verschattungs- und Verdunstungsflächen und fungiert so als regional wirkender Kälteerzeuger. Andererseits bewirken Dach- und Fassadenbegrünungen in den bebauten Bereichen eine Kühlung und Reinigung der Luft im neuen Stadtquartier.
Flexibilität – abwechslungsreich und durchmischt.
Aufgrund der langen Lebensdauer der Gebäude müssen wir über funktionale Zuschnitte hinaus denken, die für den heutigen Bedarf maßgeschneidert sind. Stadt muss aus Gebäuden bestehen, die auf ihren Flächen nutzungsneutral sind und sowohl zum Arbeiten als auch zum Wohnen genutzt werden können, in kleinen Gruppen ebenso wie in großen Gemeinschaften. Die Erdgeschosszone muss dem Kontakt zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten Raum geben. Hierzu gehören großflächige Hallen für Produktion und Handel (vertikale Fabrik) ebenso wie die sorgsame Gestaltung kleinmaßstäblicher Vorzonen. Kultur und Bildung weben sich in den Stadtkörper ein.
Wohnraum – bezahlbar und gerecht.
Das soziale Miteinander darf nicht dadurch gefährdet werden, dass nachhaltiger Wohnraum nicht für alle leistbar ist. Wo sinnvoll, sollten Standards hinterfragt werden. Die neuen Quartiere sollten Europäische Werkbundsiedlungen werden: Experimentierfelder, auf denen diese Herausforderungen angegangen werden. Die Entwicklungskosten für klimagerechtes Wirtschaften müssen gerecht verteilt werden.
Mobilität – Sharing Economy.
Mobilität wird mittelfristig einen tiefgreifenden Wandel vollziehen. Die neuen Quartiere sind so angelegt, dass Parkraum für ca. 20% des heutigen PKW-Aufkommens und großflächige und bequem erreichbare E-Bike-Stellplätze unter den Gebäuden zur Verfügung steht. Alle Stellflächen sind mit Solarstromtankstellen aus der gebäudeeigenen Produktion ausgestattet. Wandel braucht Zeit. Temporäre Quartiers-Garagen puffern daher in der Übergangszeit den Platzbedarf für den individuellen PKW. Sie sind so gestaltet, dass sie in 20-30 Jahren zu Wohn- und Arbeitswelten umgenutzt werden können
und nicht abgerissen werden müssen. Oberirdische Mobilitätspunkte stehen für Besucher und Gäste im öffentlichen Raum zur Verfügung. Sie sind die Treffpunkte und Marktplätze der Zukunft.